Wer zur Herbstzeit offenen Auges durch den Altkreis Lingen fährt, wird einzelnen Jägern oder auch Jägergruppen begegnen, die auf den Wiesen und Äckern der Dörfer, in den Niederungen der Ems und ihrer zahlreichen kleinen Nebenflüsse sowie in den Waldgebieten, einzelnen Mooren und Heideflächen waidwerken. Entsprechend seinem ländlichen Charakter (das Jagdrecht ist an Grund und Boden gebunden) spielte und spielt die Jagd auch heute im Altkreis Lingen noch eine große Rolle.

Die insgesamt circa 60.000 Hektar große Jagdfläche ist in 86 Gemeinde- (GJ) und 59 Eigenjagdbezirke (EJ) eingeteilt, wobei sich die Grenzen der Gemeindebezirke durchweg mit denen der ehemals politisch selbstständigen Gemeinden decken. Die Eigenjagdbezirke umfassen eine Mindestgröße von 75 Hektar land- und forstwirtschaftlicher Fläche in einer Hand.

Die Jägerschaft Lingen gliedert sich in sechs Hegeringe:

Name
Größe (ha)
Anzahl Reviere
Anzahl GJ
Anzahl EJ
ha pro Revier
Hegering I - Lingen 8864 21 15 6 422
Hegering II - Lünne 13010 33 20 13 394
Hegering III - Schepsdorf 4881 16 6 10 305
Hegering IV
- Emsbüren / Salzbergen
14048 36 20 16 390
Hegering V - Freren 10975 22 18 4 498
Hegering VI - Lengerich 11579 18 8 10 643
Summe 63357 146 87 59 442

Im Wesentlichen sind es Niederwildreviere, in denen vorzugsweise der Fasan, der Hase, das Kaninchen und die Rehe vorkommen. Das Damwild, unsere Hirschart, ist erst in den sechziger Jahren eingebürgert (vor allem im Baccumer- und Elberger Staatsforstgebiet). Schwarzwild, das früher nur als Wechselwild vorkam, ist seit der Aufforstung in den fünfziger und sechziger Jahren ebenfalls zum Standwild geworden und zeigt zunehmend die Tendenz, hier heimisch zu werden und sich stark zu vermehren. Dieser Eigenschaft des Schwarzwildes ist fraglos der Umstand entgegengekommen, dass durch die oben genannten Aufforstungen im nordwestlichen Teil des Altkreises ein großer zusammenhängender Dickungskomplex entstand. Zum anderen bietet heute auch der großflächige Maisanbau dem Schwarzwild Schutz und außerordentlich gute Lebensbedingungen.

Das Rehwild zeigt insgesamt eine gleichbleibend erfreuliche Zunahme. Zur Entwicklung der übrigen Niederwildarten ist zu sagen, dass insbesondere der Bestand an Kaninchen durch die Seuchen "Myxomatose" und RHD ("Chinaseuche") rapide abgenommen hat. Galten die Kaninchen im Altkreis früher als Hauptwildart auf den vielfach sandigen Böden, so spielten sie zwischenzeitig fast keine Rolle mehr. Derzeit ist wieder mit wachsenden Beständen zu rechnen. Der Fasanenbesatz war zufriedenstellend, hat aber in den letzten Jahren stark abgenommen. Das gilt noch mehr für die noch vor ein paar Jahrzehnten zahlreich vorkommenden Rebhühner als Randflächenbrüter. Ihr Bestand ist durch die Umwandlung kleinparzelliger Flächen in größere zusammenhängend zu bearbeitende landwirtschaftliche Schläge bedroht.

Neben der Bejagung der schon erwähnten Niederwildarten spielt die Jagd am Wasser auf Enten weiterhin eine große Rolle. Die Ems mit ihren zahlreichen Nebenflüssen und auch die verschiedentlich noch vorhandenen kleineren und größeren Schilfgebiete und Kolke bieten den heimischen Entenarten vielfache Lebensmöglichkeiten. Neue jagdliche Bedeutung haben beim Flugwild die Ringeltauben gewonnen. Die Bejagung dieser sich in den letzten Jahren explosionsartig vermehrt habenden Wildart wird zunehmend notwendig, weil durch die riesigen Taubenschwärme auf den Feldern im Frühjahr - vor allem im Gemüseanbau - erheblicher Schaden entsteht. Die Tauben sind neben den Enten und Krähen die Gewinner der agrar- und landschaftsstrukturellen Entwicklung in unserer Region.

Ein tabellarischer Vergleich der Streckenergebnisse aus verschiedenen Jahren (1885/86; 1938/39; 1985/86; 2005/06; 2010/2011) kann die Bandbreite der Zunahme bzw. des Rückganges der einzelnen Wildarten im Altkreis Lingen sehr anschaulich verdeutlichen:

  1885 /
1886
1938 /
1939
1
1985 /
1986
2005 /
2006
2010 /
2011
Wildart          
Damwild-Hirsche - - 11 21 64
Damwild-Tiere - - 28 55 141
Rehwild-Böcke 8 389 512 721 805
Rehwild-Ricken - 396 331 681 802
Schwarzwild - - 1 54 108
Feldhasen 2286 4416 3352 3584 2368
Kaninchen 847 16927 7076 2301 4174
Füchse 53 355 556 613 734
Steinmarder 1 137 280 181 220
Illtisse 42 237 144 197 217
Dachse 2 30 - 93 40
Rebhühner 2403 6389 444 76 8
Fasanen - 3950 5231 7304 3326
Ringeltauben - 3793 6269 19978 13770
Stockenten 380 681 1961 3497 3462
Waldschnepfen 135 322 268 405 287
Wachteln 151 - - - -
Bekassinen 115 44 - - -
Birkwild 62 57 - - -
Reiher 27 - - - -
Krammetsvögel 1 9207 68 - - -
Wildkatzen 1 - - - -
Fischotter 7 - - - -

[Streckenberichte der letzten zehn Jahre finden Sie unter 'Streckenberichte']

1 Franz-Josef Buchholz, Der Krammetsvogelfang im Emsland, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes, Bd. 50, 2004, S. 303-320

Die Jagd ist heute in erster Linie Naturpflege und Naturbeobachtung. Sie umfasst zunehmend natur- und wildschonende Maßnahmen, so dass neben der notwendig regulierenden Jagdausübung und bestandserhaltenden Nutzung (d.h., es wird nur so viel dem Wildbestand entnommen wie auch nachwächst) gerade die hegerischen Maßnahmen in den Vordergrund treten. In diesem Sinne wurden im Altkreis Lingen z.B. verschiedene Hegebüsche gepflanzt. Die vielen Straßen zwingen die Jäger dazu, immer mehr Maßnahmen zur Wildsicherung daran durchzuführen. Die Jäger versorgen darüber hinaus das überfahrene Fallwild und helfen den Unfallbeteiligten.

Alle diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Lebensgrundlagen des Wildes zu erhalten und zu sichern. Ohne die Jagd würden der Land- und Forstwirtschaft durch verschiedene Wildarten Schäden beträchtlichen Ausmaßes entstehen. Der Jäger sichert eine artenreiche gesunde Tierwelt in einer gesunden aber zivilisierten Umwelt. Naturschutz und Landschaftspflege sind somit selbstverständliche Pflichten einer verantwortungsbewussten Jägerschaft.